Ergebnispräsentation Vor- und Frühgeschichte

Oberesslingen von der Jungsteinzeit bis ins frühe Mittelalter

Die Jungsteinzeit

aus: FB Schwaben NF 5, S. 19, Abb. 6,8

Die ältesten vorgeschichtlichen Spuren, die in Oberesslingen entdeckt wurden, entstammen der sogenannten bandkeramischen Kultur der Jungsteinzeit, die um 5500 v. Chr. im südwestdeutschen Raum erschien. Es handelt sich aber lediglich um vereinzelte Lese- und Zufallsfunde, wie etwa Steinklingen. Die Abbildung zeigt einen weiteren Zufallsfund, einen im Sommer 1928 beim Bau des Neckarkanals gefundene Steinhammer aus grün-schwarzem Schiefer (archäologische Umzeichnung).

Die Urnenfelderzeit

aus: R. Koch, Katalog Esslingen: Die vor- und frühgeschichtlichen Funde im Heimatmuseum. Teil 1: Die vorrömischen und römischen Funde (= Veröffentlichungen des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart. Reihe A, Vor- und Frühgeschichte, Bd. 14,1). Stuttgart 1969, Tafel 16, D2.

Die ältesten nachneolithischen Funde entstammen der darauffolgenden Bronzezeit, namentlich der sogenannten Urnenfelderkultur. Auch in diesem Fall handelt es sich überwiegend um Lese- und Zufallsfunde. Die Abbildung zeigt einen Rekonstruktionsversuch zur Gestalt des Gefäßes, zu dem die in Oberesslingen gefundenen Scherben einst gehörten.

Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Ortsakte ESSL013

Doch nicht nur Einzelfunde zeugen von der Anwesenheit der ‚Urnenfelderleute‘ in Oberesslingen. Im Frühjahr 1924 wurde in der Lehmgrube der Ziegelei Brintzinger circa 100 m nordöstlich der Martinskirche in etwa 30 cm Tiefe eine „alte Kulturschicht“ entdeckt, unter der sich Spuren im Erdreich fanden, die die Ausgräber als 1,20 m tiefe und 2,70 breite, anhand der gefundenen Keramikreste spätbronzezeitliche Wohngrube deuteten. Dies lässt sich als Nachweis einer Siedlung interpretieren. Die Abbildung zeigt den damals angefertigten Querschnitt des Befundes.

Kelten in Oberesslingen

aus: Koch, Katalog 1, Taf. 21,17.

Sowohl die Hallstattkultur (ca. 800 bis 450 v. Chr.) als auch die zeitlich anschließende Latene-Kultur (ca. 450 bis – je nach Region – etwa zur Zeitenwende) haben Spuren in Oberesslingen hinterlassen. Beide werden für gewöhnlich als „keltisch“ angesprochen, auch wenn der Begriff nicht unumstritten ist. Ihre Zeugnisse wurden besonders im Gewann „Hirschländer“ entdeckt. Die Abbildung zeigt die Umzeichnung des Keramikfragments einer Wandscherbe, mit dem Ansatz einer Rekonstruktion des ursprünglichen Gefäßes.

Die Latènekultur dehnte sich in ihrer Blütezeit erheblich weiter aus als ihre Vorgängerin, die sich bereits vom Herzen Frankreichs bis in die heutige Slowakei erstreckt hatte. Das heutige Oberesslingen lag dabei stets im Herzen der keltischen Welt. Die unweit des Jägerhauses entdeckte spätlatènezeitliche Viereckschanze, wohl eine Art befestigter Herrenhof, könnte darauf hinweisen, dass in den unruhigen Zeiten des 1. Jhs. v. Chr. Bedarf bestand, sich auf die Höhe und in den Schutz einer solchen Anlage zu begeben.

aus: Katalog Koch 1, Taf. 21,12

Die Abbildung zeigt die Umzeichnung mit Rekonstruktionsansatz frühlatènezeitlicher Keramikscherben. Sie wurden 1940 im nordöstlichen Bereich der Lehmgrube der Ziegelei Brintzinger entdeckt. Die Ausgräber Leutner und Kost fanden bei Ihrer Untersuchung der bei Lehmabbauarbeiten angeschnittenen Fundstelle in 30 cm Tiefe unter der Oberfläche eine 20 bis 30 cm dicke Kulturschicht, d.h. wohl Spuren konkreter Siedlungstätigkeit. Im selben Bereich waren zuvor auch urnenfelderzeitliche und neolithische Funde gemacht worden.

aus: Katalog Koch 1, Taf. 23,1

Die Abbildung zeigt die Umzeichnung mit Rekonstruktionsansatz der Scherbe eines Graphitton-Gefäßes, das 1910 bei der Erforschung der römischen villa rustica gefunden wurde.

Das römische Oberesslingen

Verändert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Limes_(Grenzwall)#/media/Datei:Limes2.png  , Autor: "ziegelbrenner" (public license)

Es besteht weitgehende Unklarheit über die siedlungsgeographische Situation im heutigen Südwestdeutschland ab etwa 100 v. Chr. Um diesen Zeitpunkt verlieren sich zunehmend die Spuren der Latène-Kultur. Ergebnis der berühmten Gallischen Kriege Iulius Caesars war jedenfalls die Ausdehnung römischer Herrschaft bis an den Rhein. In der Folge wurde die Region zwischen Rhein und Donau – und damit auch das Neckarland – zunehmend römisch beeinflusst. Unter Kaiser Domitian (reg. 81–96 n. Chr.) wurde das Areal des heutigen Oberesslingen dann unter dem für uns unklaren Begriff agri decumates (Zehntland?) formal römisches Provinzgebiet der neu errichteten Germania superior (ab 85 n. Chr.). Der Raum wurde im Zusammenhang entstehender Römerherrschaft offenbar mehr oder minder neu besiedelt, wie der zeitgenössische römische Historiker und Senator Tacitus wenig schmeichelhaft beschreibt: „Nicht zu den Völkern Germaniens möchte ich die zählen, die die agri decumates bebauen, auch wenn sie sich jenseits von Rhein und Donau angesiedelt haben: Wer auch immer von den Galliern ein leichtlebiger Glücksritter oder durch Not wagemutig war, besetzte das in seiner Eigentümerschaft zweifelhafte Land; seit bald darauf der Limes angelegt und die Wachposten vorgerückt worden waren, gilt es als Vorland des Reiches und Teil der Provinz.“ (Tacitus, Germania, 29)
Die Karte zeigt die Lage des heutigen Oberesslingen im Zusammenhang des römischen Südwestdeutschlands zwischen etwa 85 und 260 n. Chr.

eigene Darstellung, J. Scherr

Nach der Errichtung des Limes und der Provinzialisierung des Rhein-Neckar-Raumes entwickelten sich hier zwar nur wenige bedeutende Städte, aber umso mehr wurde die Landschaft von großen landwirtschaftlichen Gütern mit oft regelrecht 'herrschaftlichen' Anwesen (sog. villae rusticae) dominiert, die sich insbesondere um die Flusstäler gruppierten. Die Karte zeigt diese Situation im Ausschnitt des mittleren Neckargebiets. Der Standort des heutigen Oberesslingen, wo 1909/10 ebenfalls ein solcher römischer Gutshof gefunden wurde, ist als roter Punkt hervorgehoben.

A. Peter, 1909; Fotosammlung des Stadtmuseums Esslingen

Im Herbst 1909 entdeckte der Gärtnereibesitzer Karl Spieth auf seinem Grundstück in der Flur ‚Schulgärten‘ beim Bau eines Gewächshauses Überreste eines viel älteren Gebäudes im Erdreich. Zwar überbaute er diese kurzerhand, was das Areal des geplanten Gewächshauses betraf, aber immerhin informierte er nach dessen Fertigstellung im Januar 1910 den Schultheißen Georg Deuschle über seine Funde. Dieser schaltete den Esslinger Altertumsverein ein, der eine teilweise Ausgrabung des noch erreichbaren Teils der unterirdischen Strukturen durch Alwin Peter in die Wege leitete. Dabei stellte sich heraus, dass hier ein römischer Gutshof – lateinisch: villa rustica – im Boden schlummerte, der ausweislich der Architektur und der Funde dem 2. und 3. Jh. n. Chr. entstammte.

Das Foto zeigt die laufenden Ausgrabungen von Nordosten. Links unten zur Bildmitte hin sind die Überreste einer römischen Bodenheizung zu sehen. Die abgebildeten Personen sind Gertrud und Emilie (* 1900 und 1896), die Töchter Karl Spieths, sowie rechts einer von dessen Arbeitern. Foto A. Peter, 1909.

A. Peter, 1909; Fotosammlung des Stadtmuseums Esslingen

Fotografie der Überreste der Bodenheizung (sog. Hypokaustum) von Osten. Der Rundbogen in der unteren Bildmitte gehörte zu deren Schürloch (praefurnium). Dahinter sind die aus Ziegeln aufgestapelten Sockel zu sehen, die einst den Fußboden getragen hatten, welcher durch heiße Luft und Rauchgase von unten beheizt werden konnte.

A. Peter, 1909; Fotosammlung des Stadtmuseums Esslingen

Ansicht der Grabung von Westen. Im Bild sind weitere Arbeiter Karl Spieths zu sehen, die sich als Grabungshelfer betätigten. Auch 1909/10 wurde bei archäologischen Grabungen bereits genau vermessen und dokumentiert, wie die installierten Gestänge zeigen. Rechts im Bild ist das Gewächshaus zu sehen, anlässlich dessen Erbauung die römischen Überreste entdeckt worden waren.

Foto: Daniel Zufahl

Beidseitige Abbildung eines Denars des römischen Kaisers Severus Alexander (reg. 222-235 n. Chr.). Eine Münze des gleichen Typs wurde 1909 auf dem späteren Grabungsareal gefunden. Sie gab einen der wichtigsten belastbaren Hinweise auf die Datierung des Gebäudes; leider ist sie seit Jahrzehnten verschollen.

aus: Katalog Koch 1, Tafel 32

Die Abbildung zeigt (teilweise schematische) Umzeichnungen verschiedener Fundstücke gehobener römischer Gebrauchskeramik (sog. Terra Sigillata) aus der Oberesslinger villa rustica. Diese ist gut datierbar, u.a. anhand der Gefäßformen und Gestaltungselemente bzw. Dekors, die einer steten Entwicklung und bestimmten Modeerscheinungen unterworfen waren. Daneben können aber auch die verschiedentlich aufgefundenen Herstellerstempel (wie bei den Stücken in Vitrine Nr. #) bekannten Töpfern zugeordnet werden und so als Datierungshinweise dienen. Eine entsprechende Auswertung des Oberesslinger Materials ergab, dass die Terra Sigillata aus der villa rustica sämtlich zwischen der Mitte des 2. und der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. in Ostgallien und vorwiegend in Rheinzabern produziert wurde. Dies legt nahe, dass auch die Villa um die Mitte des 2. Jhs. erbaut wurde und bis in die Mitte oder vielleicht zweite Hälfte des 3. Jhs. bewohnt war.

A. Peter: Römische Villa Obereßlingen. In: Fundberichte aus Schwaben 18 (1910), 50-59, hier S. 51, Abb 12.

Grundriss der ergrabenen Teile der villa rustica von Oberesslingen im Verhältnis zum Gewächshaus Karl Spieths. 2020 wurden weitere Gebäudereste freigelegt, deren Publikation jedoch noch aussteht und die daher hier nicht berücksichtigt sind.
Legende: I = beheizbarer Raum, vermutlich Therme; II-V = Räume unklarer Zuordnung, Bodenniveau etwa 30 cm höher als in Raum I; VI = Hofraum; A = Mulde; B = Mauerdurchbruch (modern); C = jüngerer Estrich; E = Feuerstelle; F = nachträglich eingezogene Mauer, die Raum I verkleinerte und II vergrößerte/ermöglichte; G = überwölbtes Schürloch (praefurnium); H = Hohlraum mit Hypokaustenpfeilern; h = Höhe der Mauerreste vom natürlichen Untergrund in cm; K und k = nachträglich verschlossene und verfüllte Heizkanäle; M = älterer, bläulicher Estrich (nach F hin leicht ansteigend); S = Sandsteinquader (Ausbesserung?); V = Abzugskanal; X-Y = Schnittgrabung.

Der beheizbare Bereich I des Gutshofes, vermutlich ein Bad, scheint nachträglich durch Einziehen einer Zwischenwand und Abschließen und Verfüllen der Heizkanäle verkleinert worden zu sein. Zugleich scheint in direktem Zusammenhang damit ein Neubau der Räume II bis V stattgefunden zu haben. All dies wäre nicht unbedingt etwas Besonderes, wenn nicht allgemein derartige Kanalheizungen erst um 250 n. Chr. aufgekommen wären. Denn angesichts dieser anzunehmenden Zeitstellung der Installation der Kanalheizung einerseits und dem Einfall der Alamannen um 260 andererseits hat es den Anschein, als habe der Besitzer der Villa in den unruhigen Zeiten kurz vor dem Fall des Limes noch eine luxuriöse Badeeinlage in sein Anwesen einbauen lassen. Kurz darauf scheint er recht umfangreiche Renovierungs- und Anbaumaßnahmen unternommen zu haben. Für letztere sprach vielleicht der Umstand, dass mit der Reduktion der zu beheizenden Fläche Holz und damit Geld gespart werden konnte. Zudem weisen aber die mit 90 cm besonders dicken Außenmauern in Raum V, der leider nicht näher untersucht wurde, sowie dessen vorgeschobene Position darauf hin, dass wir es hier mit einer Art Turm zu tun haben könnten. Es hat also den Anschein, als sei der Hof befestigt worden. Waren die einfachen Räume III und IV mit ihren gestampften Lehmfußböden demnach vielleicht ein kleiner Mannschafts- und ein Waffenraum für eine Truppe von einer Handvoll Verteidiger, die hier Ausschau nach Bedrohungen hielten? Wenn ja, so dürften sie ihre Verteidigung mittelfristig aufgegeben haben, nachdem sich das Imperium hinter Rhein und Donau zurückgezogen hatte. Das mag aber durchaus noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte gedauert haben.

Oberesslingen vom Fall des Limes bis in die späte Merowingerzeit

Verändert aus: G. Droysens Allgemeiner historischer Handatlas: in sechsundneunzig Karten, mit erläuterndem Text ausgeführt unter Leitung von Richard Andree. Bielefeld u.a., 1886, Karte 18, abgerufen unter https://ia802306.us.archive.org/2/items/DroysensHistoricalAtlas1886/Map%2018%20The%20Frankish%20Kingdom%20under%20the%20Merovingians.jpg (public domain).

Nachdem die Grenzregion des Imperium Romanum im heutigen Südwestdeutschland seit Jahrzehnten unter teilweise heftigem militärischem Druck gestanden hatte, wurde das Dekumatland spätestens 260 n. Chr. endgültig aufgegeben. Das Römische Reich zog sich hinter Rhein und Donau zurück – was das aber konkret für die Menschen vor Ort bedeutete, ist sowohl allgemein als auch für das heutige Oberesslingen mangels Belegen weitgehend unklar.
Ab Mitte/Ende des 5. Jhs. n. Chr. lassen sich jedoch elbgermanische, ‚alamannische‘ Bewohner des Ortes nachweisen. In eben dieser Zeit wurden diese bereits von den merowingischen Franken durch militärische Operationen nach und nach deren Machtbereich einverleibt. Anfangs recht autonom als alamannisches Herzogtum verwaltet, wegen häufiger Aufstände jedoch nach dem sogenannten Blutgericht von Cannstatt 746 direkt von den Franken regiert, wurde das alte ‚alamannische‘ Territorium im 10. Jh. wieder ein eigenes Herzogtum, das ab dem 11. Jh. als Schwaben firmierte.
Die Karte zeigt die Lage des heutigen Oberesslingen (rot) in Relation zum Frankenreich des 5. bis späten 8. Jhs. – es lag nun geradezu im Herzen der „Alamannia“. Deren Kerngebiet bildete das ehemalige Dekumatland.

Die ältesten nachrömischen Funde aus Oberesslingen fallen etwa in die zweite Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. und stammen aus dem Gewann „Hirschländer“. Dort wurde zwischen 1855 und 1955 mehrfach ein alamannischer Reihengräberfriedhof angeschnitten, wobei etwa 60 Gräber identifiziert und rund 40 ergraben werden konnten, die bis ins 8. Jh. reichen.

Scan J. Scherr aus Ortsakte ESSL019, LAD Esslingen

Am 9. April 1925 wurde dieses Foto eines gerade freigelegten alamannischen Plattengrabes („Grab 1“) in der Lehmgrube der Ziegelei aufgenommen. In dem zu früherer Zeit beraubten Grab fand sich neben dem zerstörten Skelett nur eine ovale Eisenschnalle als Überrest der Grabbeigaben. Bis 1960 wurden in der näheren Umgebung mehr als 20 Reihengräber des 6. und 7. Jhs. untersucht, viele weitere aber auch achtlos zerstört.

1908 und 1909 wurden bei Arbeiten zum Fundamentaushub für Wohngebäude in der Nähe der Gaststätte „Deutscher Krug“ insgesamt neun Personengräber und ein Pferdegrab aus der zweiten Hälfte des 7. Jhs. n. Chr. entdeckt. Die Funde erregten damals einiges Aufsehen.

Scan J. Scherr beim LAD Esslingen, Ortsakte Sign. ESSL019

Zu den 1908 entdeckten ersten drei Personengräbern zählte auch „Grab 3“, ein Frauengrab, das reiche Beigaben enthielt, zu denen auch das bekannte „Oberesslinger Reiterle“ zählte. Dieses fügt sich trefflich zur 1909 ebendort entdeckten Pferdebestattung sowie zu den in Grab 1 und 2 gefundenen Lanzenspitzen. Die Abbildung zeigt eine Fotografie der Ausstattung des Grabes aus der zeitgenössischen, nach heutigen Maßstäben bereits geradezu vorbildlich ausgeführten Grabungsdokumentation.

Im Februar 2007 wurden bei Kanalbauarbeiten im Bereich der Kreuzstraße Nr. 33 mindestens drei Männergräber aus dem späten 7. Jh. n. Chr. zerstört, die Beigaben jedoch geborgen. Es handelte sich u.a. um Waffen, einen Schildbuckel und Fragmente von Gürtelgarnituren. Die Fachleute des Landesamts für Denkmalpflege konnten noch den unteren Teil eines der Gräber in ungestörter Lage untersuchen. Der leitende Archäologe Dr. Stork deutete den Befund als Hofgrablege, d.h. als separaten Bestattungsplatz eines alamannischen Herrenhofes.

Den jüngsten Befund bieten nun die zwischen Jahresanfang und Mitte März 2020 direkt oberhalb des Areals der römischen villa rustica entdeckten, mittelalterlichen Grubenhäuser, d.h. Vorratsgebäuden, sowie weitere, z.T. vielleicht schon frühmittelalterliche Überreste. Sie wurden im Zusammenhang von Notgrabungen wegen anstehender Bauarbeiten entdeckt und belegen die Ortskontinuität mittelalterlicher, vielleicht auch bereits merowingisch-alamannischer Siedlungstätigkeit bezüglich des alten römischen Gutshofes. Naturgemäß steht eine genauere Publikation der Ergebnisse der kürzlich erfolgten Untersuchung noch aus.

ergänzt im Stadtplan 2017, Stadtplanungs- und messungsamt, Stadt Esslingen am Neckar

Wieviel Oberesslingen steckt nun in den stein- und bronzezeitlichen, keltischen, römischen und frühmittelalterlichen Überresten? Direkte Kontinuität lässt sich angesichts der teilweise starken historischen Brüche – so etwa dem Rückzug des Imperium Romanum ab 260 n. Chr. – nicht unterstellen. Aber es ist doch auffällig, dass sich sämtliche vor- und frühgeschichtlichen Funde um den späteren mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ortskern herum gelegen sind, wie die Abbildung zeigt – ein Auszug des Stadtplans von 2017, in den die ungefähren Fundbereiche eingetragen sind. Auch wenn der Ort also nicht durchgängig seit dem Neolithikum besiedelt gewesen sein mag, war es doch immer wieder dasselbe größere Areal rund um den späteren Diakonissengarten, das Menschen zum Bleiben bewegte. Und auf den Überresten, die die Vorgänger hinterlassen hatten, mögen sie dabei teilweise aufgebaut haben. In diesem Sinne lässt sich die örtliche Vor- und Frühgeschichte als Keimzelle des heutigen Oberesslingen begreifen.
Legende: 1: Neolithische Lesefunde, urnenfelderzeitliche Bronzefunde, keltische Siedlungsreste und frühmittelalterliches Gräberfeld am Hirschländer; 2: Neolithische Lesefunde, urnenfelderzeitliche Siedlungsfunde, römischer Gutshof, frühmittelalterliches Gräberfeld und hochmittelalterliche Grubenhäuser; 3: Frühmittelalterliches Gräberfeld bei der ehemaligen Gaststätte „Deutscher Krug“; 4: Frühmittelalterliche Hofgrablege.

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