Ergebnispräsentation

Grünflächen im Bereich der Innenstadt

Ausstellungsabteilung Innenstadt, Foto: Daniela Wolf

Saftige Wiesen oder rauchende Schlote, luftige Grünflächen oder Wohnraumverdichtung – das Verhältnis der Stadt zu ihren Grünflächen bewegt die Esslinger nicht erst im 21. Jahrhundert im Angesicht des Klimawandels. Durch eine stetig wachsende Bevölkerung und den Ausbau einer bedeutenden Industrie verschwanden in den vergangenen 200 Jahren im Innenstadtbereich zahlreiche Frei- und Grünflächen. Ausgleichend wurden Parks und Gartenanlagen neu geschaffen oder umgestaltet, die der Erholung dienen sollten, aber auch der Lebensmittelversorgung, als Weideland, kulturellen, gesellschaftlichen oder politischen Zwecken. Das Stadtklima bewegt: Aus diesem Grunde hat es sich die Arbeitsgruppe Innenstadt zur Aufgabe gemacht, historische Grünflächen und heutige „grüne Inseln“ in der Innenstadt aufzuspüren und mithilfe historischer Aufnahmen sichtbar zu machen. Die Bürgerinnen und Bürger können selbst aktiv werden, indem sie die (verschwundenen) Grünflächen aufsuchen, oder sogar neue „grüne Inseln“ schaffen, indem sie als kleine und große Guerillagärtner*innen z.B. mit selbstgebauten Samenbomben die Stadt begrünen. Darüber hinaus sind alle Gartenbesitzer*innen der Innenstadt aufgerufen, Fotos von ihren Gärten einzureichen, die dann ebenfalls in der Ausstellung gezeigt werden können.
 
 
Arbeitsgruppe: Christiane Benecke, Joachim Blessing, Marco Huggele, Bärbel Röhm

Hier finden Sie kurze Porträts der Grünflächen in der Innenstadt:

Die Maille

Ansicht der Maille mit dem Rossneckar von Süden. Rechts das reichsstädtische Rathaus. MItte 19. Jahrhundert.

Sie ist die exponiert gelegene Insel inmitten der heutigen Innenstadt. Sie beginnt stromabwärts am Ende des Hammerkanals, wird von Rossneckar- und Wehrneckarkanal umflossen und endet im Kesselwasen. Überquert wird sie von der Inneren Brücke. Der Wandel ihres Namens von „Wa(a)sen“ zu „Maille“ erfolgte wohl um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Woher diese Bezeichnung kommt, ist bis heute nicht genau geklärt.

Im 18. Jahrhundert gab es im oberen und unteren Bereich der Insel Mühlen. Später siedelten sich hier die ersten Textilhersteller an. Seit dem 19. Jahrhundert war sie ein beliebter Ort für Veranstaltungen aller Art. Dazu gehörten u.a. Spaziergänge und Turnübungen; sie diente als Exerzierplatz, sogar ein Theater sollte hier gebaut werden.
Die Maille erfuhr im Lauf der Zeit zahlreiche Veränderungen. Heute ist sie die größte Grünfläche im Bereich der zentralen Innenstadt und damit neben ihrer Bedeutung für das Binnenklima vor allem ein wichtiger Ort für die Erholung der Bürgerinnen und Bürger. Seit ihrer Neugestaltung Anfang des 21. Jahrhunderts erfreut sie sich wachsender Beliebtheit als Naherholungsfläche, Spielplatz und Treffpunkt.

Die Burg

Die Burg aus Richtung Sulzgries. Zu sehen sind Seilergang und Hochwacht. Bleistiftskizze von Gustav Schönleber, 1015

Sie ist ein Wahrzeichen der Stadt Esslingen und erinnert an die bedeutende Reichsstadtzeit. Doch auch sie erlebte im Lauf der Jahrhunderte großen Wandel. Die Esslinger Burg war nie eine „Burg“ im eigentlichen Sinne. Sie diente nicht als Wohnung für Ritter und Grafen, sondern der Reichsstadt Esslingen als nördlichster Teil der Stadtbefestigung. Zum ersten Mal wurde sie 1268 als Befestigungsanlage erwähnt.

Im 19. Jahrhundert verlor sie ihre ursprüngliche Funktion und erlebte vielfältige Nutzungen. So diente sie auch als Schießplatz. Gegen Ende des Jahrhunderts gab es dann erste Bemühungen um ihre Neugestaltung und Verschönerung, die sich am Beispiel Nürnbergs orientierte. Vor allem im 20. Jahrhundert erlebte sie große Umgestaltungen. So entwickelte sie sich nach und nach zum Naherholungsort und einer Touristenattraktion. Heute ist sie ein beliebter Ort für Open-Air-Veranstaltungen wie Kino und Konzerte.

Die Weststadt

Blick auf die Wiesen und Gärten der heutigen Weststadt, Ende des 18. Jahrhunderts

Sie bestand um 1800 aus Wasen und Gärten. Ein Teil war auch mit Reben bepflanzt. Als 1845 die Bahnstrecke Cannstatt-Esslingen eröffnet wurde, begann die Stadt als Industriestandort interessant zu werden. 1846 entstand das Eisenbahnausbesserungswerk entlang der Bahnlinie, westlich davon die Maschinenfabrik Esslingen. Die bisherigen Stadtgrenzen, die sich bis dahin kaum verändert hatten, wurden aufgebrochen. Der Bahnhof erhielt als Anbindung an den Stadtkern bis 1893 die Bahnhofstraße.

Um 1870 entstand das Straßenraster der Weststadt, die Firmen siedelten sich nur zögerlich an, doch waren bis 1900 alle Flächen bebaut. Entstanden war eine Mischbebauung aus Fabriken, Wohnhäusern und Villen. Die einzige Grünanlage war der Wilhelmsplatz (heute: Platz der Deutschen Einheit). Da es keine Möglichkeit zur Ausdehnung für sie gab, zogen nach und nach die Firmen weg. Vor allem zwischen 1966 und 1991 wurden Häuser und Fabrikgebäude abgerissen. Seit 1995 gab es ein Sanierungsprogramm für die Weststadt und seit 2012 entsteht hier die „Neue Weststadt“.

Private und öffentliche Grünflächen

Garten auf der Rückseite des Gebäudes der Seifenhandlung Koch in der Küferstraße

Der eigene Garten: Ein lauschiges Plätzchen im Grünen, aber auch Ursprung frischer, ökologischer Lebensmittel ohne lange Lieferketten. Früher war in Esslingen beim Gartenbau vor allem der Aspekt der Ernährung von Bedeutung: Neben Zwiebeln und Gurken nahm insbesondere die Obstkultur mit einer überregional renommierten Obstbaumzucht eine wichtige Rolle ein. Während in Krisenzeiten ein gepflegter Obst- und Gemüsegarten die Gartenbesitzer vor leeren Tellern bewahrte, nahm spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg die Bedeutung des Selbstversorgergartens ab. Erst in den vergangenen Jahren ist der Anbau von frischen Lebensmitteln verstärkt auch in der Innenstadt im Rahmen von „Urban Gardening“ wieder in den Fokus getreten.

Wer keinen eigenen Garten hat, muss in der Innenstadt nicht auf Natur verzichten. Zusätzlich zu den großen Grünflächen Maille und Burg entstanden ab dem 19. Jahrhundert in der neu erschlossenen Esslinger Oststadt mehrere „Schmuckplätze“: Entlang der Blumenstraße reihen sich der Ebershaldenvorplatz, der Charlottenplatz, die Klara-Anlage und die Schilleranlage. Quer dazu verläuft die doppelreihige Allee der Heilbronner Straße. Als weitere Grünanlage wurde im frühen 20. Jahrhundert in der Kehre der Mülbergerstraße die Lenauanlage gestaltet. Als „jüngster“ Park entstand in den 1980er Jahren der Merkelpark.

Die ausführlichen Beschreibungen finden Sie hier:

Die Maille - die "grüne Lunge" inmitten der Innenstadt

Die Maille (vom Esslinger "Mallje" ausgesprochen) ist die exponiert gelegene Insel inmitten der heutigen Innenstadt. Sie beginnt stromabwärts am Ende des Hammerkanals, wird von Rossneckar- und Wehrneckarkanal umflossen und endet im Kesselwasen. Hier und am Hammerkanal befanden sich im 18. Jahrhundert Mühlen. Als im 13. Jahrhundert die historische Pliensauvorstadt eine Befestigung erhielt, wurde der heutige Wehrneckarkanal angelegt. Überquert wird die Maille von der Inneren Brücke. Der Wandel des Namens von „Wa(a)sen“ zu „Maille“ für die zentrale Grünfläche erfolgte um die Mitte des 18. Jahrhunderts.

 In der Reichstadtzeit Die Maille diente noch im 16. Jahrhundert der Viehhaltung, es gab dort aber auch vereinzelt Theateraufführungen mit religiösen Themen für Gäste der Reichsstadt. Die Stadtansicht von Matthäus Pfister von 1650 zeigt auf ihr eine alleenartige Baumreihe. Nach der Fertigstellung des Rathausneubaus (heute Amtsgericht) nach 1715 für den 1701 abgebrannten Vorgängerbau, begann eine weit über einhundert Jahre währende Auseinandersetzung um ihre Nutzung als Gemeindegut oder Repräsentationspark, die möglicherweise der Abriss einer hölzernen und überdachten Brücke auslöste. Sie wurde 1738 durch eine steinerne und flachbogige Konstruktion ersetzt. Ab Mitte des 19. Jahrhundert erhielt sie von den Esslingern den Namen "Schwätzbrücke". Um 1750 wurden vorhandene Lindenalleen ausgebessert, neue angelegt, sowie Kastanien und Pappeln gesetzt. Dadurch wurde die als Allmende genutzte Fläche immer kleiner. Auch gab es Einschränkungen für die Kleinviehhaltung, handwerkliche Tätigkeiten und Einlagerungen (z.B. Holzstapel).

Im 19. Jahrhundert Kurz vor Ende der Reichsstadtzeit galt die Insel bereits als "schöner Spaziergang"; Mitte der 1820er-Jahre bildete sich ein "Maille-Verschönerungsverein". Hier versammelten sich häufig die bürgerlichen Vereine: die schwäbische Sängerbewegung veranstaltete seit 1829 für einige Jahre ihre geselligen und nach 1830 politischer werdenden Zusammenkünfte. Später lösten sie die Turner ab, deren Übungsplatz anlässlich des Turnfests im Juni 1847 eingeweiht wurde. In der Revolutionszeit 1848/49 exerzierte die Bürgergarde auf der Maille und auf Versammlungen diskutierte man über liberale Reformen. Später gab es sommerliche Vereinsfeste und noch vor der Jahrhundertwende gesamtbürgerschaftliche Veranstaltungen, wie etwa "Italienische Nächte". 1868 und 1895 weihte man auf der Maille die Denkmäler für Karl Pfaff und Theodor Georgii ein. Gleichzeitig hatte sich an den beiden "Spitzen" der Insel die industrielle Nutzung aufgrund der dort vorhandenen Wasserkraft längst ausgeweitet. 

Die Zeit bis 1950 Nach der Erneuerung des Treppenzugangs von der Inneren Brücke um 1900 sollte die Maille noch attraktiver gestaltet und für Feste genutzt werden. Dies zeigt ein – allerdings nie ausgeführter – Plan des jungen Architekten Albert Benz zu ihrer Umgestaltung in einen luxuriösen Volkspark. Auch die Pläne für die Errichtung eines Gymnasiums und eine unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg angefertigte Planskizze für einen städtischen Theaterneubau wurde nicht realisiert.1910 wurde die Maille erneuert und u.a. ein Brunnen mit späten Jugendstilornamenten angelegt. 1916 wurde die "Schaffertsche Badeanstalt" auf der oberen Maille am Rossneckar abgerissen. Dasselbe Schicksal widerfuhr einem kleinen Badehäuschen in der Nähe der Inneren Brücke Der einzige Eingriff in ihr Erscheinungsbild bis zum Zweiten Welktkrieg war 1935 angesichts des zunehmenden Automobilverkehrs die Überbauung der "Schwätzbrücke".

1950 bis 1980 Seit 1948 fanden wieder Platzkonzerte auf der Maille statt. Nachdem 1953 der kleine, hölzerne Pavillion durch einen offenen Rundpavillion ersetzt worden war, gab es nächtliche Bootsfahrten, sportliche Stadtläufe und illuminierte Abendveranstaltungen mit Tanz und Musik. Regelmäßige Freilichtaufführungen veranstaltete die Württembergische Landesbühne unterhalb der Nikolauskapelle. Der "Herbst auf der Maille" mit einem Weinbrunnen lockte um 1960 viele Besucher an. Durch die im Rahmen des Baus des Altstadtrings 1973 eingeweihte Vogelsangbrücke verkleinerte sich die Fläche der Maille um ein Drittel. Nun verschwand der Jugendstilbrunnen mit seiner vorgelagerten Pergola.

nächtliche Bootsfahrt mit Lampions, um 1970

1980-1999 Der Bau eines Regenüberlaufbeckens Ende der 1980er Jahre im östlichen Teil der Maille führte zu ihrer schon lange geplanten Umgestaltung. Ihr heutiger Zustand ist im wesentlichen das Ergebnis dreier Bauabschnitte. Dabei standen sich ab 1989 die Befürworter eines Teilkonzepts und jene einer Gesamtlösung gegenüber und diskutierten ihre Standpunkte heftig. Hauptstreitpunkte waren veränderte Wege, abgeholzte Bäume, ein Radweg am Rossneckar, die Standortfrage für Spielplätze, die Schrägabsenkung der Fläche vor der Inneren Brücke zur Verbesserung der Sicht auf die Innere Brücke und der Abriss des Pavillons von 1953.

Maille von Süden, April 2020

Die Maille heute
 
Als nach 2000 die meisten dieser Vorhaben durchgeführt waren, wartete die neugestaltete Maille auf ihre Akzeptanz durch die Bevölkerung. Im Juni 2008 meldete die Esslinger Zeitung, die Neugestaltung habe den Dämmerschlaf der Grünzone beendet, Kinder wie Spaziergänger würden die Maille schätzen. 2011 wurde eine Fuß- und Radwegbrücke über den Rossneckar fertiggestellt, der "Margarete-Müller-Bull-Steg". Heute machen sich trotz vielfältiger Veranstaltungen, wie dem Kinderpostmichelfest, der Kinder-Biennale oder Theateraufführungen aber auch kritische Töne in der öffentlichen Wahrnehmung bemerkbar. So lautete der Titel eines Interviewbeitrags in der Esslinger Zeitung im Oktober 2019: "'Grünen Lungen' geht der Atem aus. Parkanlagen im Spannungsfeld von Freizeitaktivitäten, Müll, Kosten und Klimawandel".

Wussten Sie’s? Anlässlich des Landesdenkmaltags 2016 fand auf der Maille eine Schauveranstaltung im Paille-Maille-Spiel statt. Dass dieses Ballspiel hier jemals vorher ausgeübt wurde, ist nicht belegt. Möglicherweise war die 1731 erschienene Übersetzung eines französischen Werkes über Gartenbaukunst der Anstoß zur erstmaligen Namensnennung "Maille" in den Ratsprokollen um 1750. Zu den unterschiedlichen Formen von Alleen heißt es dort, dass "vollkommen gleiche" oder "gerade Alléen" einer "Maille-Bahn“ ähneln. Gerade die Längsbepflanzung am Rossneckar bot sich für diese Typenbezeichnung einer Allee an.  

Eine Burg, die keine ist...

Die Esslinger „Burg“ war nie eine Burg im eigentlichen Sinne. Sie diente nicht als Wohnung für Ritter und Grafen, sondern der Reichsstadt Esslingen als nördlichster Teil der Stadtbefestigung. Anfangs war das Gelände nur durch einfache Holzbefestigungen geschützt. 1519 wurde die Burg angesichts einer drohenden Belagerung im Krieg mit Württemberg verstärkt. Innerhalb einer Nacht wurde die Burgsteige angelegt und der Seilergang durchbrochen, um Kanonen hinauf bringen zu können. Am Bau von Wällen und Gräben waren die gesamte Bürgerschaft und sogar die Priester beteiligt. Nachdem Herzog Ulrich die Stadt von den nordöstlichen Höhen aus beschossen hatte, aber vom Schwäbischen Bundesheer vertrieben worden war, wurden die Festungswerke ausgebaut. Bis 1531 entstand ein nahezu sechseckiger Bering mit starken Mauern und vier Geschütztürmen. 1578 wurde die Hochwacht errichtet, wo der Burgwächter seinen Sitz hatte, der bei Feuer- oder Feindesgefahr Alarm schlagen sollte.
 

Älteste Stadtansicht von Matthäus Pfister. Im Hintergrund die Burg

Die Burg im 17. und 18. Jahrhundert
 
Schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts galt die Stadtbefestigung als gänzlich veraltet. Nach der französischen Besetzung durch General Melac 1688 sollten die Esslinger ihre Waffen abliefern und waren dem Willen der Besatzer wehrlos ausgeliefert. Schließlich befahl der General den Einwohnern die Schleifung ihrer Stadtmauern. Nur sein Abzug vor dem herannahenden Gegner verhinderte die totale Zerstörung, doch blieb die östliche Schenkelmauer der Burg (vom Dicken Turm zum Lantelentor am Landolinsplatz) seither Ruine. Im frühen 17. Jahrhundert erhielt der Dicke Turm ein flaches Kegeldach, das 1768 und 1788 erneuert wurde, aber schon zwölf Jahre später wegen Baufälligkeit wieder abgetragen wurde. In der Folge wurde nichts mehr repariert, Holzwerk und Holzziegel des Dicken Turmes, der sich in einem ruinösen Zustand befand wurden abgetragen und verkauft.

Innenraum des Burgareals vom Seilergang aus. Links das Melachäuschen, rechts die Burgschenke, Anfang 20. Jahrhundert

Die Burg im 19. Jahrhundert
 
Nach 1802 verlor die Burg ihren ursprünglichen Sinn und ihre Funktion. Dagegen nahm ihre Bedeutung als Grünfläche für die Bürger zu. 1833 prüfte der Gemeinderat, ob sie verkauft oder verpachtet werden sollte. So kam es, dass die Burganlage auf ein Jahrzehnt an den Kaufmann Gottlob Friedrich Schumann verpachtet wurde. Allerdings sollte der Zutritt für Besucher jederzeit möglich sein. Schumann erhielt zudem die Erlaubnis, die früher vom Burgvogt betriebene Wirtschaft weiter zu führen und auf dem Kanonenbuckel ein „Belvedere“ zu bauen. 1837 entstand an der Stelle des nordwestlichen Hellerturms das Melac-Häuschen, 1843 richtete die Schützengesellschaft ein Schießhaus und einen Schießplatz ein. Als der Bierbrauer Eduard Heugelin 1846 Steine der Stadtmauer für die Errichtung eines Biergartens beim „Heuchlin’schen Saal“ an der Landolinssteige erwerben wollte, befürwortete der Rat „den Abbruch und die Veräußerung der ganzen Mauer“. Später pflanzte man auf dem Burgplatz Obstbäume. Auch diente er auch geselligen Veranstaltungen der Bürgerschaft. Gerne hielt sich an diesem Ort auch die Jugend als abenteuerlicher Spielplatz.

Der Dicke Turm mit seiner heutigen Haube,  Anfang des 20. Jahrhunderts.

Neue Haube für den Dicken Turm
 
Das „Burgcomitee“ - eine freie Vereinigung von Bürgern - schlug dem Gemeinderat 1859 vor, den Dicken Turm mit einer eichenen Treppe und einem eisernen Geländer zu versehen. 1861 machte ein zweites „Burgcomite“ des Gemeinderats den Dicken Turm zugänglich, doch erfolgte dabei anscheinend nur die Beseitigung von Schutt und Trümmern. Eine „Freiwilligen-Collecte“ wurde aus juristischen Bedenken abgelehnt. In den folgenden Jahren wurden Teile des Burggeländes immer wieder verpachtet, bis am 14. Mai 1864 im Esslinger Wochenblatt ein Aufruf zur Verschönerung der Burg erschien. 1887 erhielt dann der Dicke Turm seine heutige Haube, die sich an den Nürnberger Türmen orientiert.

Planzeichnung von Albert Benz für die Neugestaltung der Burg

Pläne für die Burg um 1900
 
1894 bildete sich im Vorfeld geplanter Baumaßnahmen eine dritte Burg-Kommission. Sie beantragte 1896, den Erdwall abzuheben und anstelle des Schießhauses ein Landhaus zu errichten. 1897 gab es ein Gutachten für ein Gastwirtschaftsgebäude. Die Pläne stießen jedoch auf Skepsis, da die Burg kein Naherholungsgebiet sei. Auch fand sich kein risikofreudiger Privatunternehmer. Zur selben Zeit nahmen die Klagen über den baulichen Zustand der Anlage zu. Dennoch fand dort 1905 ein Schillerfest statt und die Maschinenfabrik reichte ein Angebot für eine Seilbahn auf die Burg ein. 1908 legte Albert Benz dem Gemeinderat neue Pläne vor. Er wollte die zum Teil ruinösen Befestigungsanlagen im Stile einer spätmittelalterlichen Festung rekonstruieren. Ím Norden der Anlage plante er eine Großrestauration mit Saal, Tageswirtschaft und kleinen Gesellschaftszimmern. Die heutige Burgschänke sollte durch eine Kegelbahn mit dem Oberen Turm verbunden werden, dieser über den rekonstruierten Wehrgang mit dem Dicken Turm. Dass Benz die Burg nicht nur als Tourismusmagnet, sondern auch als Naherholungsraum für die Esslinger verstand, zeigt der ebenfalls geplante Tennisplatz

Truppenparade während des Ersten Weltkrieges auf dem Burggelände. Im Vordergrund Offiziere, im Hintergrund das Gewehr präsentierende Soldaten

Die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg
 
Seit 1920 befand sich im Schießhaus bis 1933 die Jugendherberge. Jetzt wurde auch das Wirtschaftsgebäude auf der hinteren Umfassungsmauer erneuert und unter Einbeziehung des Nordwestturms mit einer Freiterrasse aufgewertet. In den 1930er Jahren wurde dann das Tor in der Nordseite durchbrochen. Bis dahin gab es von dieser Hauptangriffseite keinen Zugang. Im Sommer 1932 befasste sich der Gemeinderat mit der Frage der „Herrichtung des inneren Burgplatzes“. Dies führte allerdings nur zu kleineren Verschönerungsarbeiten und der Säuberung der Anlage. In der NS-Zeit wurden 1933 die Obstbäume und das alte Schießhaus beseitigt und auf dem planierten Platz eine „Thingstätte“ für Massenveranstaltungen eingerichtet. Seit 1934 gibt es die „Burgschenke“ und auf dem 1935 nochmals umgestalteten inneren Platz fanden in der Folge zahlreiche Feste statt. Turner und Sportler machten sich auf ihr heimisch, Kinderfeste wurden abgehalten, und namentlich das rasch volkstümlich gewordene Winzerfest mit seinen Burgbeleuchtungen und Feuerwerken zog zahlreiche Besucher

Sicht auf die Burg mit Burgberg vom Schelztorturm aus, 1950er Jahre

Die Burg nach 1945
 
In den 1950er Jahren sollte die Burg erneut aufgewertet werden. Zum ersten „Burgfestival der Esslinger Jugend“ am 28. Juni 1969 kamen rund 7.000 Menschen. Es legte den Grundstein für all die Konzerte und das Open-Air-Filmfestival, die heute die Fans in Scharen anlocken.1970 gab es weitere Pläne zur Belebung der Burg. Sie reichten von Hotel, Schrägaufzug, Tagungsstätte, Freilichttheater, einer schwäbischen Villa Massimo, Disneyland bis Legoland. Die Bürger sprachen sich 1971 aber vor allem für eine „grüne Burg“ aus und wünschten sich eine erholsame grüne Oase in unmittelbarer Nähe der Innenstadt. Das Stadtjubiläum 1977 brachte einige Neuerungen: Der Dicke Turm wurde zum Restaurant, ein Kinderspielplatz und Freizeiteinrichtungen entstanden und der innere Burgplatz wurde umgebaut. Der Seilergang wurde begehbar gemacht und mit einer Treppe vom Inneren Burgplatz her erschlossen. Auf dem Kanonenbuckel entstand ein Gewürzgärtlein nach mittelalterlichem Vorbild. 1981 wurde auf Initiative des Verkehrsvereins der Pulverturm saniert. Das Restaurant im Dicken Turm schloss 2011. Dieser ist seither ohne Nutzung und nicht mehr öffentlich zugänglich. Deshalb engagiert sich seit 2014 die Initiative Turmwächter dafür, den Dicken Turm wieder für Mitbürger und Besucher erlebbar zu machen.

Mehrbildpostkarte mit Motiven der Burg: der Stadt heraus, Melachäuschen und von Norden mit dem Burggraben, um 1900

Zeittafel    
 
1268   erste urkundliche Erwähnung der auf den Schönenberg führenden westlichen             Schenkelmauer
 
1314   erste urkundliche Erwähnung der Burg
 
1330   urkundliche Erwähnung einer „Burgmauer“
 1380   erste Erwähnung der Hochwacht
 
1415   „wyngarten cze Ezzlingen, den man nennet di Burk“
 
1519   Belagerung durch Herzog Ulrich von Württemberg
 
1519 – ca. 1531 Ausbau der Burg
 
1527   Errichtung des Dicken Turms
 
1541   erste Erwähnung der „Schüttin“ (Kavalier)
 
1578   Bau der heutigen Hochwacht
 
1688   General Melac besetzt Esslingen.
           Teilabbruch der östlichen Schenkelmauer
 
1788   Neueindeckung des Dicken Turms
 
1800   Der Dachstuhl des Dicken Turms wird abgebrochen
 
1802   Esslingen kommt an Württemberg
 
1887   der Dicke Turm erhält seine heutige Haube nach Nürnberger Vorbild
 
1933 – 1935 Gestaltung des Innenhofs als nationalsozialistische Thingstätte
 
1969   Erstes Burgfestival
 
1976 – 1977 Neugestaltung des Inneren und Äußeren Burgplatzes.
                     Restaurierung des Dicken Turms
 
1981   Der Obere Turm (Pulverturm) wird restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
 
(aus: Die Esslinger Burg von Christian Ottersbach)
 

Die Weststadt - vom Garten zum Industriegebiet

Älteste Stadtansicht von Matthäus Pfister. Am linken Bildrand die noch unbebauten Wiesen und Gärten der Weststadt

Um 1800

An Stelle der heutigen Weststadt befanden sich um 1800 Wiesen- und Gartenflächen. Dies waren der obere und untere Schelzwasen mit ca. 45 Morgen (ca. 14 ha) und die Schelzgärten. Sie befanden sich außerhalb der Stadtmauer. Ihren Namen hatte sie von einer Familie Schelchs, die um 1270 in diesem Areal ansässig war. Weitere Gebietsbezeichungen in diesem Bereich waren „Im Weiher“(zwischen Mettigner Straße und Roßneckarkanal), der Lohwasen zwischen den beiden Kanalarmen und der Spitalwasen mit der Lohwasenmühle. Am nordöstlichen Ende befand sich der Agnesfriedhof, der 1816 aufgegeben wurde und an dessen Stelle später das Lehrerseminar entstand. 1808 erwarb die Stadt ein Gelände am Schwanengraben, um dort den Schelzfriedhof anzulegen. Auch innerhalb der Stadtmauern lagen im Westen Gartenland und Grünflächen. Es gab viel Grün und gute Luft.

Ansicht der Weststadt von der Neckarhalde aus. Fotografie um 1900

Die Zeit der Industrialisierung

Seit 1840 wandelte sich dieses idyllische Bild vollständig. Nach und nach wurde die Stadtbefestigung abgerissen und die Stadt öffnete sich nach außen. Mit dem Bau der Eisenbahnstrecke und des Bahnhofes 1845 entstanden hier die Maschinenfabrik (1846) und das Eisenbahn-Ausbesserungswerk. 1855 folgte der Bau des Gaswerks, das man 1874 an den westlichen Stadtrand verlegte. Es folgten seit 1857 der Ausbau der Bahnhofstraße und 1865 der Güterbahnhof.
Seit 1870 entstand im nördlichen Bereich ein Industriegebiet, das sich langsam von der Innenstadt nach Westen vorschob. Bis 1895 wurden die Schelztorstraße, Martinstraße und im Süden die Eisenbahn-(heute Fleischmann-)straße bis zur Schlachthausstraße angelegt. Als Querverbindungen dienten die Friedrich-(heute Berliner-)Straße, Wilhelm-(heute Käthe Kollwitz-)Straße und die Karlstraße (heute Kandlerstraße). Nach und nach ließen sich hier zahlreiche größere und kleinere Industriebetriebe nieder (F. W. Quist, J. F. Schreiber, Boley, Hengstenberg. Dick. Carl Mahr, Fritz Müller u.v.m.) Außer Firmengebäuden und Handwerksbetrieben gab es Fabrikantenvillen und Wohngebäude. Die Industrialisierung war in voller Fahrt.

Firmenansichten in der Weststadt, um 1920

Im 20. Jahrhundert

Aufgrund des begrenzten Platzes verließen nach 1900 einige Firmen die Weststadt wieder. So zog die Pressenfabrik von Fritz Müller nach Oberesslingen, Carl Mahr in die Plochinger Straße und die Maschinenfabrik nach Mettingen. Andere Firmen siedelten sich dafür an (Herdfabrik Rieger). 1910 wurde das Georgii-Gymnasium eröffnet. Die einzige Grünfläche in diesem Bereich war damals der Wilhelmsplatz (heute Platz der deutschen Einheit). Die bei der Erschließung seit 1870 freigebliebenen Innenhöfe wurden überbaut, die Fabrikanten verließen ihre Villen und zogen in schönere Wohngegenden. Die einzige Ausnahme bot die heutige Berliner Straße an der noch heute Villengebäude stehen und der seinerzeit mit Grünanlagen versehene Bahnhofplatz. Schon 1928 befürchtete man angesichts dieser Entwicklung Probleme für die künftige Stadtplanung. Tatsächlich bot die Weststadt nach dem Zweiten Weltkrieg ein eher tristes Bild. Viele Firmen wanderten ab oder stellten die Produktion ein, zahlreiche Gebäude wurden abgerissen und die Weststadt wandelte ihr Gesicht.

Weststadt von der Neckarhalde, um 1950

Um die Jahrtausendwende

1995 begannen Planungen für die Sanierung der Weststadt. Ihr Ziel war es, Freiflächen zu schaffen, die Situation für Fußgänger und Radfahrer zu verbessern und insgesamt das Image des Viertels zu fördern. 1998 wurde in der ehemaligen Feilenfabrik Dick ein Kultur- und Freizeitzentrum eingerichtet. Doch ließ in diesem Quartier zunächst die Aufenthaltsqualität zu wünschen übrig, da Spielplätze, ansprechende Freiflächen mit Sitzgelegenheiten, schattenspendenden Bäumen und Brunnenanlagen fehlten. Mit dem Erwerb des ehemaligen Güterbahnhofsgeländes durch die Stadt 2003 und den Wegzug der Firma Hengstenberg 2009 begannen neue städtebauliche Planungen. Seit 2012 entstehen auf dem ehemaligem Güterbahnhof und dem Hengstenberg-Areal durchmischte Wohn- und Gewerbegebiete mit drei Stadtteilplätzen. Zudem soll in der Weststadt die neue Hochschule entstehen. Im Süden ist als weitere Grünfläche der „Neckaruferpark“ geplant. 2019 wurden die ersten Gebäude fertiggestellt.

Die Westadt Ende der 1970er Jahre. Fabrikgebäude in der Schelztorstraße sind bereits durch Wohngebäude ersetzt.

Private und öffentliche Grünanlagen

Grünanlagen an öffentlichen Plätzen. Das Beispiel Oststadt

Wenn Grünflächen zu Bauland werden sollen, ist es stadtplanerisch sinnvoll, neben Wohn- und Gewerbeeinheiten auch Freiflächen zu gestalten. Sie dienen der Naherholung der Anwohner, bieten je nach ihrer Gestaltung Tieren und Pflanzen einen geschützten Lebensraum und sind überdies hilfreich zur Regulierung des Stadtklimas. Als im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Esslinger Oststadt erschlossen wurde, standen auch mehrere Parkanlagen als „Schmuckplätze“ auf der Agenda der Stadtplaner: Entlang der Achse der Blumenstraße entstanden der Ebershaldenvorplatz, der Charlottenplatz, die Klara-Anlage und die Schilleranlage. Quer dazu verläuft die doppelreihige Allee der Heilbronner Straße (früher: Alleenstraße). Nordöstlich der Achse Blumenstraße wurde im frühen 20. Jahrhundert in der Kehre der Panoramastraße (heute: Mülbergerstraße) die Lenauanlage gestaltet.

Lenaudenkmal in der Mülbergerstraße (Anfang 20. Jahrhundert)

Sind Flächen in Bauland umgewandelt worden, sind sie indes nicht unwiederbringlich verloren, wie ein Beispiel aus Esslingens jüngerer Geschichte zeigt. In den 1970er bis 1980er Jahren entstand ein weiterer Park in der Esslinger Innenstadt: der Merkelpark. Er zeugt von der Bestrebung, Grünflächen zurückzugewinnen, indem ein früheres Industriegelände renaturiert und damit den Bürgerinnen und Bürgern als Freiraum „zurückgegeben“ wurde.

Parkanlage um die Schillerschule, um 1900

Privatgärten

Der eigene Garten – Traum von einem lauschigen, ungestörten Plätzchen im Grünen, aber gleichzeitig auch der Ursprung frischer, ökologischer Lebensmittel ohne lange Lieferketten. Früher war in Esslingen beim Gartenbau vor allem der Aspekt der Ernährung von Bedeutung. In der Oberamtsbeschreibung von 1845 werden –neben dem vorherrschenden Weinbau – vor allem Zwiebeln und Gurken als Anbauprodukte in privaten Gärten genannt. Gleichwohl nahm die Obstkultur mit einer überregional renommierten Obstbaumzucht einen bedeutenden Raum ein. Doch auch „hübsche Privatgärten“ sind dort bereits verzeichnet. Besonders hervorgehoben wurde derjenige des Handelsgärtners Gulden vor dem Mettinger Tor. Während in Krisenzeiten ein gepflegter Obst- und Gemüsegarten seine Besitzer vor leeren Tellern bewahrte, nahm spätestens nach dem 2. Weltkrieg die Bedeutung des Selbstversorgergartens ab. Erst in jüngster Zeit ist der Anbau von frischen Lebensmitteln verstärkt auch in der Innenstadt in den Fokus getreten. Da nur wenige Innenstadtbewohner einen Garten vor dem Haus besitzen, sind neue Formen wie „Urban Gardening“ in den Fokus gerückt: Das Gärtnern auf kleinen, öffentlichen Flächen wie beispielsweise Verkehrsinseln und Baumbuchten. Das wohl bekannteste Beispiel in Esslingen findet sich derzeit am Kesselwasen.

Lageplan der Villa Merkel mit Gartenanlage

Lageplan der Villa Merkel mit Gartenanlage
Angefertigt von Oberamts-Geometer Eberhardt 1874
 
Mit seinen ausladenden Blutbuchen, Ulmen, Platanen und Linden sowie kleineren Baumgruppen und weiten Rasenflächen war der Garten der Villa des Esslinger Fabrikanten Oskar Merkel als so genannter „Landschaftsgarten“ angelegt. Zahlreiche Wege wanden sich durch das Grundstück – getreu dem Motto, dass in der Natur nichts schnurgerade verlaufe. Dieses „irdische Paradies“ diente neben der Erholung der Bewohner natürlich auch als Repräsentationsmittel ihres Standes in der bürgerlichen Gesellschaft. Die „natürliche“ Gestaltung war bestens geeignet, die liberalen und humanen Werte der neuen Oberschicht von Unternehmern und Fabrikanten in Esslingen widerzuspiegeln – ganz im Gegensatz zur streng geometrische angelegten barocken oder klassizistischen Ordnung, die ebenso wie die frühere feudale Herrschaft der vergangenen Jahrhunderte abgelehnt wurde. Übrigens schätzte Oskar Merkel die Nähe zu seiner Fabrikanlage, die sich direkt auf dem Nachbargrundstück (heute: Merkelpark) befand, doch verhinderte ein Sichtschutz aus Bäumen und Sträuchern den direkten Blick vom „irdischen Paradies“ auf die Industrieanlage.

Blick auf die Fabrikanlage der Kammgarnspinnerei Merkel & Kienlin und die Villa Merkel (links), vom Eisberg aus gesehen.

Blick auf die Fabrikanlage der Kammgarnspinnerei Merkel & Kienlin und die Villa Merkel (links), vom Eisberg aus gesehen.
Fotograf unbekannt, 1893

 Rauchende Schlote statt „grüner Lunge“: Wo sich heute der Merkelpark befindet, wurde bis 1971 die weit über Esslingen und Württemberg hinaus bekannte „Esslinger Wolle“ produziert. Westlich an das Fabrikgelände am Neckarufer schloss der Landschaftsgarten mit der Villa Merkel an, die der Fabrikant Oskar Merkel 1872/73 errichten ließ. Nach dem Abbruch der Fabrikgebäude in den 1970er Jahren wurde das Areal in einen öffentlichen Park umgewandelt, der bis heute in den Garten der Villa Merkel übergeht. Dies ist das einzige Beispiel in Esslingens jüngerer Geschichte, bei dem erschlossenes Bauland in eine öffentliche Grünanlage umgewandelt wurde.

Ansicht des rückwärtigen Gebäudeteils der Seifen-Koch OHG, Küferstraße 10

Ansicht des rückwärtigen Gebäudeteils der Seifen-Koch OHG, Küferstraße 10
Karl Fuchs, Sommer 1944
Privatbesitz
 
Ein großer Obst- und Gemüsegarten kann zwar viel Arbeit machen, ist aber in Krisenzeiten auch ein Garant für die Versorgung mit lebenswichtigen Nahrungsmitteln. So dürfte der Garten der Familie Koch im Sommer 1944 sicherlich einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Bewohner geleistet haben. Deutlich im Bild zu erkennen sind die Bohnenstangen; auch an Beerensträucher können sich die Enkelkinder des Seifenfabrikanten Hermann Koch erinnern. Ob dort auch Kräuter und Pflanzen, die zur Seifen- und Waschmittelherstellung nötig waren, angebaut wurden, lässt sich nicht mehr ermitteln. Zumindest in den 1960er Jahren wurde der Garten aber mehr zum Spielen der Kinder als zum Obst- und Gemüseanbau genutzt. Darüber hinaus erinnern sich die Nachfahren an die zahlreichen Sträuße und Bouquets, die ihre Großmutter aus den dort wachsenden Zierpflanzen fertigte.

Fotografie: Michael Saile

Alt-EsslingenJulie Textor, 1897Öl auf Leinwand
 

Sicht auf den Wehrneckar von WEsten, um 1900

Wehrneckarstraße
Fotograf unbekannt, um 1890

 
Julie Textor zeigt Esslingen von seiner idyllischen Seite: Schmale, bunt bepflanzte Vorgärten schmiegen sich entlang des Wehrneckars an gepflegte, mittelalterlich anmutende Wohnhäuser. Der Blick des Betrachters wird auf die im Hintergrund sichtbare Innere Brücke gelenkt, hinter der sich die sommerlich-grünen Bäume der Maille erheben.

Ein Vergleich der romantisierenden Darstellung mit einer nur sieben Jahre zuvor, ebenfalls im Sommer entstandenen Fotografie verdeutlicht, dass es sich bei der – teilweise vom Verfall gezeichneten – Häuserzeile um die Gebäude am Roßmarkt handelt und die „Vorgärten“ tatsächlich tiefe rückwärtige Gärten sind. Umrankte Bohnenstangen, die einen Gartenzaun überragen, belegen die Nutzung der Gärten als Anbaufläche von Lebensmitteln für den täglichen Bedarf der Bewohner. Die Gärten sind heute von den Gebäuden der Wehrneckarstraße überbaut.  

Klimawandel und Klimaanpassung im Bereich der Innenstadt

Grünflächen in der Innenstadt sind für das Mikroklima wichtig. Es wird u.a. durch die Bebauungsdichte, menschengemachte Wärme, Verkehrsaufkommen sowie das Vorhandensein ausreichender Grünflächen und Wasserflächen beeinflusst. Die abnehmende Menge an Grünflächen durch Innenverdichtung und Umwandlung in Flächen für Verkehr und Gebäude führt zu einer Verschlechterung der mikroklimatischen Bedingungen. Aber was kann man tun, um die Kaltluftversorgung der Innenstadt sicher zu stellen?
 
In Esslingen sind wichtige Aspekte der Klimabeeinflussung die Durchlüftung der Bachtäler und deren Renaturierung. Flächen können für die Naherholung aufgewertet und als Frischluftschneisen und „Wanderkorridor“ gesichert werden. Fuß- und Radwege können ausgebaut werden. Um Überflutungen zu verhindern, soll das Retentionspotenzial (Wasseraufnahmekapazität des Bodens) gesteigert werden.
 
Um die nächtliche Hitze zu verringern, können das Stadtgrün und Stadt“blau“ (Wasserflächen) vergrößert werden. Beispielsweise durch neue Grün- und Gewässeranlagen (z. B. die Anlage des Neckaruferparks, einen Flachbrunnen am Bahnhofsvorplatz oder Gewässer am Kaufmann-Areal). Eine geringere Aufheizung und stärkere Abkühlung von Gebäuden wird durch Fassadenverschattung gefördert. Dies wird künstlich oder durch eine stetig steigende Anpflanzung von Einzelbäumen erreicht. Es kann aber auch eine temporäre Grünfläche geschaffen werden, wie die Esslinger Stadtoase.

Maßnahmen in Esslingen finden Sie hier.
 
Beispielhafte Maßnahmen gibt es bereits in Würzburg, Wien und Nevers

Abbildungen: Stadtarchiv Esslingen, Städtische Museen, Privatbesitz

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